Wie unbewusste Normen unser Stadtbild prägen

Verein Diversum

Nach wem sind Plätze und Strassen benannt? Welche Denkmäler fallen uns auf, wenn wir durch die Stadt gehen? Schon als Kinder nehmen wir Personen als Vorbilder wahr und verinnerlichen, welche Rollen wem zugeordnet werden. Das geschieht unbewusst, ist aber Teil eines Systems – ein System, das kritisch betrachtet werden muss.
Gastbeitrag von

Maimuna Kinteh

und

Mani Owzar, Verein Diversum

Welche Geschichten werden erzählt?
Dass wir gewisse Orte mit spezifischen Menschen in Verbindung bringen, zeigt: Statuen und Strassennamen sind sehr präsent und haben einen Einfluss darauf, wie wir unser Stadtbild wahrnehmen.
In der Schule lernen wir Dinge über diese Menschen, die an zentralen Orten verewigt wurden. Wir lernen über deren Bedeutung für die Geschichte. Weisse, bzw. nicht-rassismusbetroffene Menschen werden in diesen Darstellungen hervorgehoben und im geschichtlichen Kontext als ausschlaggebend dargestellt. Wir vergessen dabei oft, dass unzählige weitere Personen entscheidend dazu beigetragen haben, dass diese Orte und Menschen den Reichtum und die Anerkennung bekommen haben, die sie im öffentlichen Raum geniessen.
Die heutige Geschichtsschreibung beruht auf der als selbstverständlich geltenden weissen Norm: Geschichten

weisser

Menschen werden erzählt – Geschichten von rassismusbetroffenen Menschen und deren Bedeutung hingegen oft verschwiegen. Geschichtsunterricht wird so primär aus einer
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eurozentrischen
Perspektive heraus gehalten.Auch in Kinderbüchern und Lehrmitteln sind rassismusbetroffene Kinder kaum vertreten. Wenn sie sich repräsentiert finden, dann häufig nicht als handelnde Subjekte, sondern – wie in den Globi- oder Kasperli-Geschichten – als Objekte, die es zu «entdecken» gilt.
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Dass weiss als Norm gilt, ist vielen Menschen gar nicht bewusst: People of Color, Personen mit Migrationshintergrund, Schwarze Menschen und rassismusbetroffene Menschen erhalten durch diese Begriffe eine Bezeichnung, die ihren Unterschied zur Norm markiert. Weissen Menschen geschieht dies sehr selten. Diese Selbstverständlichkeit einer weissen Norm, die uns vermittelt wird, hat tiefe Wurzeln und ist Teil eines rassistischen Systems: ein System der Bewertung, Unterdrückung und Misshandlung, das Menschen anhand von Charakteristika ordnet, um sie dann auf- oder abzuwerten. In diesem System leben wir.
In der Zeit der Aufklärung wurden pseudowissenschaftliche
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Rassentheorien
aufgestellt, in denen die «weisse Rasse» als die überlegene und am weitesten entwickelte menschliche Rasse angesehen wurde. Viele bekannte Philosophen verteidigten diese, unter anderem Immanuel Kant, der in der europäischen Geschichtsschreibung oft als «Held der Aufklärung» gefeiert wird. Die Ideologie der «weissen Norm» ist also nichts Neues: Ihre Wurzeln liegen in den ersten Phasen des
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Kolonialismus
im 15. und 16. Jahrhundert und finden sich in der Aufklärung des 18. Jahrhunderts wieder. Auch wenn diese Theorien in zunehmender Kritik stehen, prägen sie das Menschheitsbild und die herrschenden Machtstrukturen bis in die Gegenwart.
Welche Geschichten wollen wir erzählen?
Um den kommenden Generationen eine andere, rassismuskritische Denkweise mitzugeben, sollten wir uns bewusst werden, welche Narrative wir in unserem täglichen Leben reproduzieren und nach welchen Idealen wir leben. Mit der Arbeit bei Diversum setzten wir hier an: In unseren Workshops für Lehrpersonen schauen wir zuerst an, wie wir als Gesellschaft Rassismus erlernt haben und wie wir gemeinsam Verantwortung übernehmen können, diesen zu entlernen. Dafür ist es notwendig, dass sich alle Kinder und Jugendliche, auch jene, die von Rassismus betroffen sind, in der Schule repräsentiert sehen.
Wir müssen uns überlegen, welche Geschichten wir unseren Kindern erzählen, welche Filme sie schauen und welche Lehrmittel verwendet werden. Im Geschichtsunterricht ist es zentral, dass nicht nur eine weisse,
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eurozentrische
Perspektive gelehrt wird. Die Rolle der Schweiz im Kolonialismus muss thematisiert werden, ausserdem muss der Beitrag von rassismusbetroffenen Menschen auf die Schweizer Geschichte sichtbar gemacht werden. Einen wichtigen Beitrag dazu leisten zum Beispiel histnoire.ch – oder die Stadtführungen der Stiftung Cooperaxion .
Der politische Prozess muss jedoch nicht nur in der Schule stattfinden, sondern auch in unseren Städten. Rassistische Denkmäler sollten keinen Platz haben in unserem Stadtbild. Gleichzeitig ist es unerlässlich, dass mehr Plätze und Strassen nach rassismusbetroffenen Persönlichkeiten benannt werden, die einen bedeutenden Teil zur Entwicklung unserer Gesellschaft beigetragen haben. Dies ist 2019 in Neuenburg mit der Umbenennung des zentralen Platzes vor der Universität in

Tilo Frey

-Platz bereits geschehen – Tilo Frey war die erste Schwarze Nationalrätin der Schweiz – und stimmt uns hoffnungsvoll für die Zukunft.